Sonntag, 27. März 2011

von fleecedecken und sonnenbrillen. oder: ein frühlingsliedchen summend.


frühlingsbotschaft
heinrich heine

leise zieht durch mein gemüt
liebliches geläute.
klinge, kleines frühlingslied,
kling hinaus ins weite.

kling hinaus bis an das haus,
wo die veilchen sprießen!
wenn du eine rose schaust,
sag, ich lass sie grüßen.

wenn die sonne mir den rücken wärmt oder ich ihr entgegen blinzeln muss, geht mir so manches kleines frühlingslied durch den kopf und lässt mein herz lachen. die schneemassen und die klirrekälte haben mich lange und intensiv fasziniert und beglückt. nach mehreren monaten der winterfreuden und des eingepacktseins spüre ich allerdings deutlich, dass es zeit für wärme und wonne wird. und sieht man von einem kurzen abschiedsgruß des kalten freunds mit schneeflöckchen und minustemperaturen ab, scheint dieser wunsch nach der grünen jahreszeit wahr zu werden. auch wenn der wind manchmal eisig bläst und wolken den sonnenhimmel bedecken, so konnte ich doch in dieser woche mein winterjackeneinmannzelt daheim lassen und gegen ein dünneres exemplar tauschen. und während ich diese zeilen tippe, ertappe ich mich selbst bei einer typisch schwedischen verhaltensweise: dem schreiben, reden, urteilen über die aktuelle wetterlage. hier ist man um ein paar worte und kommentare darüber nie verlegen. gleichzeitig scheinen wort und tat wieder näher beieinander zu liegen - die stockholmer erwachen aus ihrer winterruhe und nutzen jedes bisschen sonne - sei es nun für fikapausen mit fleecedecken oder spaziergänge mit sonnenbrillen. auch bei mir wächst die freude an ausflügen in die sonnenstadt. am dienstag konnte ich noch einmal einen wunderbaren stockholmeindruck gewinnen, als ich einen panoramaspaziergang auf södermalm unternahm und dabei die kamera fast nicht mehr in die tasche stecken wollte, weil die fotomotive kein ende nahmen. am wochenende boten sich schöne aus- und ansichten in einem gewächshauscafé mit blümchen und brötchen und genüsschen und auf einer klosterinsel mit erholungsterasse und turmarchitektur und pflastersteinen. hinzu kommt das gefühl, langsam ein bisschen genauer zu wissen, wohin ich will und was ich vorhabe, wofür ich dankbar bin und woran ich arbeiten möchte.

Sonntag, 20. März 2011

von mittelaltergassen und jugendstilbauten. oder: tere, tallinn! hei, helsinki!


die letzte woche wurde von einer art des lebens und entdeckens bestimmt, die mir gar nicht mehr so vertraut und bekannt war: ich war als tourist unterwegs. dieses besondere gefühl begann schon am sonntag, als ich spontan in einen der stockholmsightseeingbusse sprang und mit einer freundin und ein paar kopfhörern zwei stunden rundfahrt durch schwedens faszinierende hauptstadt genoss. viele ecken erkannte ich wieder - 'ah, schau mal, hier bin ich schon gewesen!' einen ganz anderen eindruck vermittelten mir die letzten tage. am montag startete meine erste einsame reise ins unbekannte. tallinn war aufenthaltsort nummer eins und beeindruckte mit spitzen türmchen, engen gässchen, leckeren genüsschen. hier schien die zeit im mittelalter stehen geblieben zu sein, als steinstadtmauern und verteidigungsfestigungen die heutigen alarmanlagen und überwachungskameras ersetzten. innerhalb der früheren stadttore fällt das zurückdenken und zurückfühlen leicht. spaziert man allerdings aus dem stadtkern heraus, begegnet man der gegenwart und technisierung: neubaublocks, glashochhäuser und riesenbauten schaffen platz für industrie, einwohner und konzerne. meine sichere und pünktliche ankunft am aufenthaltsort nummer zwei verdanke ich auch einer neueren erfindung, nämlich einer großen fähre, die mich von tallinn nach helsinki brachte. dort dominiert der jugendstil die ordentlich angelegten straßen und alleen. zu fuß und mit der straßenbahn erkundete ich die finnische hauptstadt und war wirklich beeindruckt von einer gelungenen kombination von form und funktion. das spiegelt sich im großen und im kleinen wider - denn ein kleiner bummel durch helsinkis designläden ist auf jeden fall lohnenswert und weckt die sehnsucht nach einem praller gefüllten portemonnaie. schon am nachmittag verließ ich die stadt - vielleicht nicht mit unzähligen einkaufbeuteln, dafür aber mit wunderbaren und bezaubernden bildern im kopf und im herzen. der letzte abschnitt meiner entdeckungstour, die rückfahrt mit dem schiff von helsinki nach stockholm, war mir am unangenehmsten, ließ andernseits aber die vorfreude auf meine wahlheimat steigen. die begrüßte mich mit trübem grau und dicken schneeflocken, hielt aber auch wiedersehensfreuden und entspannungsmomente bereit - nach dem ereignisreichen, einsamen reisedasein genau das richtige.

Sonntag, 13. März 2011

von mandelmassa und kaffekonst. oder: ska vi fika?

manchmal denke ich darüber nach, welche eigenschaft oder eigenheit schwedens mir wohl in deutschland am meisten fehlen wird. und wenn ich meinen kalender aufschlage, stelle ich fest, dass es bis zur rückkehr ins sauerkrautland wirklich nicht mehr so lang dauert. vielleicht ist es da eine gute idee, ein bisschen inne zu halten und sich gedanken darüber zu machen, was den blaugelben alltag hier ausmacht und bestimmt, belebt und erheitert. ich bin von herzen dankbar für all die besonderheiten und einmaligkeiten, die ich in meinen monaten hier schon erleben durfte. und dennoch sind es mehr die immer wieder kehrenden tätigkeiten und begegnungen, die mir ans herz gewachsen sind und von denen mir der abschied schwer fallen wird. dazu gehört unter anderem eine gewohnheit, die kommunikation, genuss und entspannung gleichermaßen fordert und fördert: fika.
'fika bedeutet im grunde eine kaffeepause machen, geht aber noch viel weiter. das wort soll von kaffi stammen, so hieß kaffee in der altschwedischen umgangssprache, die reihenfolge der silben wurde umgekehrt. fika machen bedeutet, alte freunde treffen, neue bekanntschaften schließen, tratschen und dem alltagstrott entfliehen.' (rob hincks)
dieses kurze pausieren und plauschen ist dem sparen natürlich nicht unbedingt zuträglich. auf der anderen seite ermöglicht fika ein bisschen mehr innere ruhe, ein bisschen mehr gegenseitiges interesse. selbst in geschäften und kaufhäusern lassen sich kleine cafénischen mit großen kissen und großer auswahl ausfindig machen. die schweden leben eben lieber nach dem motto 'ta det lungt', als ständig das höhere, schnellere, weitere anzustreben. und trotz aller päuschenlieben werde ich langsam ein wenig hibbelig und kribbelig, möchte so gern planen und organisieren und wissen und durchführen. passend dazu hat am mittwoch die fastenzeit begonnen, mit pompösen semlaabschied am dienstag und eisernem fikaverzicht seit dem wochenbergfest. und jetzt bin ich gespannt auf das kommende, ob wollen und können in guter balance zueinander finden, ob vorhaben und träume verwirklicht werden können. und am ende komme ich eben doch wieder zur schwedischen einstellung zurück: 'ta det lugnt.'

Sonntag, 6. März 2011

von sonnenstrahlen und winterwundern. oder: idas sommarvisa auf den lippen. beinahe.

und schon hat der märz gegonnen. und so langsam lassen sich sonnenstrahlen, vogelgezwitscher und frühlingsgefühle erahnen. in unserem wohnzimmer wurde es am montag beinahe sommerlich, afrikanisch, als ich nils in eine toilettenpapiermumie verwandelte und er völlig in seiner rolle als ägyptischer (wenn auch bedauerlicherweise toter) pharao aufging. erik freut sich über vögel (piep-piep) und autos (brumm-brumm) gleichermaßen. sobald ein federtier oder ein fahrzeug erahnt, rennt er, so schnell ihn seine kurzen babybeinchen tragen, zum fenster. ganz stockholm scheint sehnsüchtig darauf zu warten, dass schnee und eis sich in wasser verwandeln und wärmere, hellere tage einzug halten. auch wenn ich sonnenstrahlenkitzeln nach den klirrekalten tagen sehr genieße, kann ich mich doch noch nicht so gut von den winterwundern verabschieden. deswegen stattete ich am mittwoch dem brunnsvikeneis in der nähe der residenz von kronprinzessin viktoria und ihrem gatten noch einmal einen besuch ab. die kombination aus weißer welt und strahlendem sonnenhimmel lockte auf jeden fall gutelaunegefühle und glücksgedanken aus der winterruhe. heute wurde meiner liebe zur kalten jahreszeit dann sozusagen ein krönchen aufgesetzt, als ich mir zum ersten mal zwei lange, schmale bretter (auch bekannt als ski; heute zum glück nicht mehr aus holz!) unter die füße schnallte. anfangs war meine einstellung zu hangabfahrten und slalomsbewegungen eher von angst und panik geprägt. später entwickelte sich daraus aber zum glück fahrspaß und wintervergnügen, und zusammen mit fröhlichen kindergartenkindern und wagemutigen kindermädchen sauste ich bei wundervollem wetter den anfängerhügel hinab. auf dem heimweg dann hörte ich die vögel zwitschern und griff schon beinahe nach der sonnenbrille. vielleicht ist ja wirklich bald der augenblick gekommen, 'adjö' zum kalten freund zu sagen? und mit der sich ankündigenden blüte- und gedeihzeit werden auch pläne und vorhaben wieder wach. und die neugier und spannung hinsichtlich des sommerschwedens. und die sehnsucht nach wiedersehensfreude und rückkehrglück. und die hoffnung auf 'god fortsättning', sozusagen.