Sonntag, 28. November 2010

von winterwundern und weihnachtsstimmung. oder: die erste kerze brennt.



advent
rainer maria rilke


es treibt der wind im winterwalde
die flockenherde wie ein hirt
und manche tanne ahnt wie balde
sie fromm und lichterheilig wird;
und lauscht hinaus. den weißen wegen
streckt sie die zweige hin - bereit
und wehrt dem wind und wächst entgegen
der einen nacht der herrlichkeit.

jetzt hängen an unserer tür die grünen kränze und ein tannenpferd schmückt unseren eingangsbereich. hannes legt für lucia schon mal sein pfefferkuchenkostüm bereit. auch meinen ersten glögg mit rosinen und mandeln habe ich schon genossen, als mats auf seiner arbeit am donnerstag die türen für alle besucher öffnete. da stand ich also mit meinem kleinen tässchen und ringelstrumpfhosen zwischen anzugmenschen und karrierefrauen. gleich danach erwarteten mich neue fikafreuden: bullar, kakor und muffins warteten als belohnung nach dem singen auf mich. unser neunmannchor präsentierte sein repertoire - von südafrikanisch bis schwedisch war alles dabei. wer dann auch seinem körper etwas gutes tun möchte, nimmt am besten die schneeschaufel in die hand und arbeitet sich durch das winterwunderland. ansonsten verzaubert auch schon der blick in die schwedenfenster hinein, die mit lampen und weihnachtssternen dekoriert werden. lichterketten und rote kugeln sorgen auch in der blaugelben hauptstadt für vorfreude und lassen das weihnachtsherz höher schlagen. bei den häufigen stromausfällen kann man seiner kerzenlieben ganz besonders ausdruck verleihen. und kinderträume werden wieder lebendig, wenn man die uralten schlittschuhe einsteckt und vorsichtig auf einer der eisflächen in stockholm herumschlittert. bei minus zehn grad mussten wir nach dem eisvergnügen unsere zehen erst einmal wieder zum leben erwecken, was aber dank caféwärme und chinesischen nudeln gar nicht so viele minuten in anspruch nahm. mütze, schal und handschuhe werden hier zu den liebsten begleitern, und nach und nach verwandeln sich die menschen in michelinmännchen, wenn sie ihre daunenjacken aus dem schrank holen und sich so richtig einmummeln. und ich bin so glücklich, mittendrin sein zu dürfen und immer mehr dazuzugehören.

Sonntag, 21. November 2010

von fußballgenuss und puddinggeplauder. oder: zwischen dem blühenden vaterland und dem lieblichsten erdenort.

this time for ... nein, eben nicht mehr afrika - das scheint schon unendlich weit entfernt, denn seit der weltmeisterschaft kurz vor meinem abenteuerbeginn haben so viele perlen das schatzkästchen mit den erinnerungen gefüllt. am mittwoch kam eine weitere hinzu, zum wochenbergfest waren nämlich die schwedische und die deutsche nationalmannschaft an der reihe. und ich hatte nicht etwa heimkino, sondern durfte das echt und in farbe miterleben. zugegeben, das spiel wird wohl nicht als besonders spannend oder besonders ereignisreich in die geschichte eingehen - für mich war es aber auf jeden fall besonders besonders. jogi löw mit dem schal, bastian schweinsteiger mit der kapitänsbinde, die fans mit den hartnäckigen anfeuerrufen, das stadion mit seinen minusgraden - und mitten in all dem saß ich mit meiner schwedenfahne auf der rechten und meiner deutschlandfahne auf der linken wange, meinem blaugelben trikot und meiner kleinen inneren unsicherheit, für wen das fußballherz nun eigentlich schlagen soll. eins weiß ich aber zum glück sicher: freundschaftsfreitage mit pudding und plaudereien tun dem herzen unendlich gut und sind wahrscheinlich das effektivste mittel, um den aufkommenden novemberblues zu bekämpfen. oder zumindest zu teilen. vorgestern zog ich mit schlittschuhen los, verbrachte meinen abend dann allerdings doch nicht auf dem eis, sondern auf der couch, nach einer anstrengenden woche vielleicht auch die klügere wahl. und genau das richtige, um vor dem wochenendeinsatz kraft zu sammeln. samstag stand nämlich eine piratenparty an, sozusagen. hannes und ich waren allein zu haus (wenn man von den tieren und harald mal absieht). der kleine seeräuber vermisste seine mama allerdings arg, weswegen wir die vielen wochenendsstunden mit pannkakor, schildkrötenkino, pepparkakor und köttbullar füllten und uns so ein bisschen ablenkten. und während es hannes am heutigen ruhetag bei einer diskogeburtstagsfeier krachen lässt, darf ich ein bisschen großstadtluft und weihnachtsmarktduft schnuppern. und ich bin mir fast sicher, dass auch heute abend wieder viele erinnerungswerte erlebnisse den wochenrückblick dominieren werden.

Sonntag, 14. November 2010

von väterfreuden und käsekuchenwärme. oder: vier monate und ein schwedenmädchen.


heute ist ein besonderer tag. als erstes werden heute die väter in schweden gefeiert. bei uns geschah dies mit hummern und saffransrisotto und 'bubbelvatten' am abend. vorher allerdings ehrte ich große väter der welt auf andere weise: alfred nobel, insbesondere dem von ihm gestifteten preis, wurde meine aufmerksamkeit zuteil, als ich sein museum besuchte und mich ein klein wenig auf zeitreise begab. das bedeutete nicht nur nahrung für den kopf (im moment bin ich wahrscheinlich ein wissensstaubsauger - ich muss wieder ein bisschen leben in meine grauen zellen bringen, habe ich den eindruck.), sondern auch kulinarischen genuss. ich durfte mich ein bisschen hineinfühlen in das große bankett am 10. dezember, habe ich doch die nobeleiscrème und einen schokotaler mit nobelprägung verspeist. mums! dann weckte die königsfamilie, ganz besonders aber deren schätze und kronen, mein interesse. in der skattkammaren bewunderte ich perlen und diamanten und gold und silber und außerdem die englischkenntnisse deutscher touristen, die einem hier überall begegnen. und am nachmittag war zeit für einen der väter der musik: mozart berührte und beeindruckte mich mit seinem requiem in der storkyrka in gamla stan. dort stehen schon die hüttchen für den weihnachtsmarkt bereit - umso angebrachter, vorher noch einmal innezuhalten und nicht in einem einzigen rasen durch die zeit den advent zu beginnen. vor allem gefielen mir die geste und symbolik der zuhörer in der reihe vor mir: eine mama war mit ihren beiden erwachsenen töchtern gekommen und hielt diese während des ganzen konzertes an den händen. ich glaube, es ist so wichtig, dass wir einander manchmal eine hand reichen oder eine helfende, führende, liebende hand gereicht bekommen und begreifen, dass wir uns nicht immer durch alles allein hindurchschlagen müssen. als zweites haben sich die einwohner des blaugelben landes für eine ihrer lieblingsspeisen wieder einmal einen tag erwählt: der småländische ostkaka wird heute wohl in vielen mündern und mägen gelandet sein. ja, auch ich habe einen käsekuchen gezaubert und genossen. immer mal wieder muss man den bauch einfach mit einem warmen stück kuchen füllen, um ein bisschen gemütlichkeit und vergessen zu ermöglichen. und zu guter letzte wohne ich nun seit genau vier monaten im liebsten geliebten schweden. vier monate voller eindrücke und erlebnisse und herausforderungen und abenteuer und glücksmomente und begegnungen und noch so vielem mehr, was in mir passiert und sich hier gar nicht beschreiben lässt.

Sonntag, 7. November 2010

von herzensgeheimnissen und begegnungsschätzen. oder: zusammen ist man weniger allein.



'hier ist das tiefste geheimnis, das keiner kennt. hier ist die wurzel der wurzel, und die knospe der knospe, und der himmel des himmels eines baumes namens leben. der höher wächst als die seele hoffen, der geist verbergen kann, und dies ist das wunder, das die sterne in ihren bahnen hält. ich trage dein herz. ich trage es in meinen herzen.' (e. e. cummings) ''
immer deutlicher wird mir bewusst, was für ein großer schatz es ist, herzensmenschen um sich zu haben, die stärken und aufbauen und zuhören, die mitweinen und mitlachen und mitfühlen, die helfen und unterstützen und unter die arme greifen. schon so mancher schwarzer tag wurde durch freundschaftssterne zum erinnerungswerten erlebnis, schon so mancher groll konnte in ironie umgewandelt und später durch ein großes lächeln (und vielleicht auch ein stück kuchen, ich geb es ja zu.) vertrieben werden. meine heutigen spätsonntagsworte sollen also all denen danken, die mich auf meinem schwedenweg begleiten, denn ohne sie wäre die eine oder andere weggabelung bedeutend härter, der eine oder andere anstieg bedeutend anstrengender. neben dem liebsten geliebten blaugelben zauberland, das mich mit überraschungen und entdeckungen beglückt, sind es vor allem die menschen, die mein barnflickaleben lebenswert machen. 'in den schuhen meiner schwester' - so heißt der film, aus dem obiges gedicht stammt; und dessen titel mir auch gleich anlass für heimweh und ein bisschen herzschmerz liefert. meine familie ist und bleibt das vaterland meines herzens. und immer noch warte ich sehnsüchtig darauf, dass jemand die kunst des beamens möglich macht, denn mit dem fliegen habe ich es ja leider nicht so. wie wundervoll, dass es daheim so viele gibt, an denen meinen herz hängt, auf die ich mich schon jetzt freue, die ich so gern auf tee, gebäck und plaudereien einladen würde. ebenso zauberhaft finde ich aber, dass auch mein schweden kostbare begegnungen für mich bereithielt und bereithält. fikastunden, wochenendsausflüge, entdeckungstouren, entspannungsabende, filmfreuden, riesenpläne. und heute denke ich besonders an das mariefredmädchen, mit dem ich eins der bisher allerallerallerbesten wochenenden erleben durfte. zum glück, zum glück bin ich nur selten allein, sondern habe die liebsten in der nähe und in der ferne.