Sonntag, 31. Oktober 2010

von fikavergnügen und naturbezauberung. oder: alter schwede!


manchmal ist es vielleicht das beste, ein bisschen abstand zu gewinnen und aus der ferne zu betrachten und eine neue perspektive einzunehmen. und genau das setze ich gerade um, und möchte an meinem lieblingstag an meinem lieblingsort ein wenig über mein lieblingsland nachgrübeln. wenn sich meine gedanken in blaugelbe gefilde begeben, kommt mir zuerst die atemberaubend natur in den sinn. sommer, herbst und ein bisschen winter durfte ich jetzt schon erleben und genießen - offene landschaften, frische luft, herrliche seen, tiefe wälder, glitzerndes meer, raschelnder wind, intensive farben. so viel schönheit an einem fleckchen erde. und während die südländer glauben, dass der schnee eine strafe für die sünden der skandinavier bedeutet, bin ich vom wunderweißen ganz entzückt und bleibe gespannt auf dunkle, gemütliche winterstunden. die lassen sich wohl am besten mit den einwohnern des landes teilen und genießen, auch wenn die von zeit zu zeit regelrecht sommersüchtig erscheinen. und dennoch stelle ich mir ein fikapäuschen mit den schweden mehr als angenehm vor. für sie ist von hoher bedeutung, ihren eigenen kleinen persönlichen freiraum zu pflegen und um jeden preis konflikte zu vermeiden. neben anderen menschen und tieren scheinen auch mobiltelefone einen großen platz in ihren herzen einzunehmen. aufkommende probleme oder angestauter kummer oder aufreibender stress werden am besten mit kaffee und kanelbulle bekämpft, geduld entwickelt sich vor allem beim anstehen vor dem bus, in geschäften oder eben überall dort, wo es passt. kreisverkehre werden als normale kreuzungen angesehen (am merkwürdigsten wirkt es, wenn an der einfahrt links geblinkt wird.) und 'rechts vor links' wurde erfolgreich gegen 'größere straße vor schmalerer straße' ersetzt. sauna und schnaps tragen erheblich zu einem guten schwedischen leben bei, wohingegen ein paar stundenkilometer zu viel als unverzeihlich gelten. hilfsbereitschaft und freundlichkeit und bescheidenheit sind sozusagen die blaugelben tugenden, die mir immer wieder ins auge fallen. und so versuchen sie - genau wie ich - sich ihr eigenes kleines glück zusammenzusetzen. und für mich gehört zu diesem wunderbaren gefühl eben auch dazu, dieses volk zu beobachten und kennenzulernen und ein klein wenig dazuzugehören.

Sonntag, 24. Oktober 2010

von schwedenschnee und surströmmingsstinkerei. oder: piraten auf entdeckungsreise.


am freitag war es so weit: der ungeliebte, gnadenlose wecker kündigte einen neuen tag an, den ich theoretisch wahrscheinlich eher schlecht gelaunt begonnen hätte. diese ahnung wurde aber alles andere als realität, vielmehr trat das gegenteil ein. ein blick aus dem fenster kündigte schwedischen winterzauber an und ließ mein herz höher schlagen. die bäume, die eigentlich noch buntes herbstlaub tragen, waren von weißem wunderpuder bedeckt und dicke flocken kamen vom himmel herunter. noch eindrücklicher wurde dieses bild, als in unserem haus der strom ausfiel und ich mit meinen beiden starken jungs im dunkeln weiter frühstückte. dem menschen, der die taschenlampe erfand, sei an dieser stelle ganz herzlich gedankt. allerdings gab es eigentlich keinen grund zur beunruhigung, schließlich sind hannes und ich mittlerweile unter die piraten gegangen und könnten uns wahrscheinlich gegen jegliche gefahr verteidigen (besonders das holzschwert scheint mir für diesen zweck sehr geeignet.). mats wurde am schneetag zum 'kapitän' des saabs, der glücklicherweise am mittwoch seine reifen mit spikes erhalten hatte. und auch ohne fernrohr ließ sich erkennen, dass das eine weise entscheidung war: allein auf dem weg nach norrtälje sahen wir sieben autos und einen lkw, die sich dem schneevergnügen im straßengraben hingaben. mittlerweile ist inseestechen wahrscheinlich wieder besser möglich, denn so viel weiß ist nach reichlichen regengüssen gar nicht mehr übrig. zum glück reichte bereits ein kleiner spaziergang zum kühlschrank aus, um ein schwedische seebesonderheit in die freiheit (oder besser: auf die teller) zu entlassen: surströmming, vergorener hering, wurde heute abend von mir getestet und für gut befunden. wenn die kleinen fischlein auf dem tisch landen, wird das abendessen zum erlebnis: die dosenöffnung wird im freien durchgeführt (dem geruch widme ich lieber nicht so viele zeichen, denn der ist nichts für empfindliche näschen.). anschließend belegen alle hungrigen mit viel liebe ein tunnbröd mit kartoffelscheiben, zwiebel, fischfitzelchen und gräddfil. und so schließe ich diese woche als frisch gebackener seeräuber mit speziellen sinneseindrücken, wundervollen winterbeginnserinnerungen und stetiger schwedenlust ab.

Sonntag, 17. Oktober 2010

von ausblicksbezauberung und glücklichkeitseindrücken. oder: schweden. und gut.


aus der ferne winkt schon das reh, das heute abend auf den tisch kommen soll. das blaugelbe land hält neben wild im wald aber zum glück noch so viel mehr für mich bereit: einen sich nahenden winter, mit dicken schals und frostüberzogenen wiesen und riesigen teetassen - nur scheinen mir meine stoffschuhe nicht unbedingt für diesen geeignet. eine bezaubernde hauptstadt, die immer wieder neu und spannend und einladend ist - das etnografiska, das sjöhistoriska  und das nordiska museet haben mir ihre türen geöffnet und mich in die welten des internationalen, der seefahrt und des skandinavischen eingeführt. eine umwerfende kombination aus buntem laub, klirrender kälte und strahlender sonne - manchmal muss ich mich selbst ermahnen, während der täglichen autofahrten auf die straße und nicht auf das meer oder in den wald zu schauen. eine handvoll herzensmenschen, die genuss, gelächter und geplauder so einfach und alltäglich machen - mit der richtigen begleitung wird jede fikapause, jeder museumsbesuch und jede sprachkursstunde zum wertvollen glücksmoment. eine sich ständig verändernde see, an der mein herz wohl immer hängen wird - noch nie habe ich so viele blautöne und glitzerwellen und windböen wahrnehmen und erleben dürfen. ein wohlfühlrezept aus kleinen zufallsbegegnungen und großen abenteuerunternehmungen - die liste der sehens- und erlebenswürdigkeiten wird wohl stetig weiter wachsen, zusammen mit meiner vorfreude auf besondere ausflüge ebenso wie auf den kaffeekauf mit kleinem plausch. eine wundervolle sprache, die mich gleichzeitig fordert und erfreut - es fühlt sich so gut an, verstanden zu werden und selbst zu verstehen, und immer mehr zu erforschen und zu erfahren. eine chance, um auszuprobieren und kennenzulernen und auszusortieren und hinzuzugewinnen - manches kommt, anderes geht, einiges bleibt. schweden, mein liebstes, geliebtes schweden, schweden mit seiner schönheit und reinheit und freundlichkeit, tröstet über so manchen aufkommenden zutodebetrübtmoment hinweg und fügt dafür umso mehr himmelhochjauchzendaugenblicke hinzu.

Sonntag, 10. Oktober 2010

von glückssteinchen und momentsammlungen. oder: sverige i mitt hjärta.


herbstblätterwirbelwind - denn jeden tag wird es hier bunter und stürmischer. kanelbullenbehagen - denn deren duft erfüllte am montag anlässlich ihres feiertags die straßen und sorgt auch sonst für schwedenglücksgefühle. erinnerungsschatzdurcheinander - denn es kommt wieder eine woche zu meiner schwedenzeit hinzu. stortorgetmochaccino - denn die altstadt ist am sonntag in verbindung mit guten gesprächen und fikapäuschen einen besuch mehr als wert. schwedenfete - denn im studentenwohnheim war ganz schön was los. streetdancewettbewerb - denn auch die schweden, die sonst ohne zu zögern geduldig schlange stehen und eigentlich nie protestieren, kämpfen hin und wieder tanzend gegeneinander. morgentee - denn ohne meine grüne freude gehe ich nicht aus dem gelben inselhaus. haushaltshetzerei - denn waschmaschine, geschirrspüler, herd und putzeimer fordern manchmal sogar mehr aufmerksamkeit als mein partner. kinderfreuden - denn mittlerweile zähle ich zu hannes vertrauten und werde neben starwars deswegen jetzt auch in sachen hogwarts unterrichtet. erntedankgottesdienst - denn die deutsche kirche feierte heute mit brot, bullar und bibelgeschichten diesen wundervollen tag. schlauchschalbegeisterung - denn stürme können mir jetzt dank diesem kleinen strickwunder nichts mehr anhaben. organisationsüberforderung - denn fünf personen unter einen hut bringen fordert hin und wieder mehr konzentration als eine matheklausur. entscheidungsunfähigkeit - denn weggabelungen tauchen auf und wollen klug gehandhabt werden. busreisen - denn die 676 nach stockholm nimmt mich immer häufiger in ihre blauen stoffstühle auf. sonnenuntergangsschönheit - denn vor jympa darf ich strahlen in den baumspitzen bewundern. sprachkursglück - denn hier begegne ich menschen, sprache, aufheiterung und kultur, und das alles an einem ort. riksdagsbesichtigung - denn weiche teppiche zum einsinken sollten auch vom einfach volk beschritten werden. hantverksausstellung - denn marmeladen und buttermesser und filzprodukte wurden auf einem bauernhof in der nähe angeboten und ließen mich ein bisschen schwedentradition erleben. dillsaucenverkostung - denn mats nahm das buch zur schwedischen hausmannskost zur hand und führte mich einmal mehr in seine unzähligen lieblingsgerichte ein. kulturhusetbegeisterung - denn dieser treffpunkt mit bibliothek und ausstellung und köttbullar verbindet an einem platz so viele meiner vorlieben. pannenplaudereien - denn immer wieder bin ich beglückt über die herzensmenschen, denen ich begegnen und die ich ein stückchen begleiten darf. schwedensegen - denn ich wachse ein kleines bisschen an der welt und den aufgaben, die sie für mich bereithält, und füge dem glücksmosaik steinchen hinzu.

Sonntag, 3. Oktober 2010

von bilderbuchausblicken und küchenbehagen. oder: herbstzeit im land der elche.


der herbst kommt. eine ganz besonders intensive sonne lässt das meer glitzern und die bunten blätter leuchten. wenn ich in der küche sitze und schwedische zeitung lese und dann immer mal den blick hebe und diese aussicht genieße, erfüllt mich dankbarkeit. rauer wind weht ums haus und sorgt für einen kühlen kopf. alle balkonblumen stehen nun im haus un hoffen auf gnade vor dem hund, der im wahrsten sinne des wortes ein allesfresser zu sein scheint. am donnerstag fand eine meiner socken den weg in seinen mund, usch (ein wort, was schwedische kinder benutzen, wenn sie etwas eklig finden). die kälte nähert sich ganz vorsichtig an und erinnert mich daran, dass ich mir auf jeden fall diesen wunderbaren weißen schal gönnen darf, den ich in stockholm erblickt habe. ein elch kreuzte am dienstag meinen weg, als ich hannes und harald zur schule fuhr und er vielleicht einen kleinen morgenspaziergang unternahm. leider blieb keine zeit für einen kleinen plausch. aber vielleicht treffen wir uns ja noch einmal wieder. tee und kaffee werden ununterbrochen gekocht, finden ihren weg in große tassen und wärmen von innen. hier noch eine kleine information für alle liebhaber der blaugelben nation: nach den finnen schlürfen die wikingernachkommen am meisten türkentrank, zu jeder tageszeit und an jedem ort. so ist auch in der sprachschule jedes mal gegen um elf 'absolut kaffepaus'. und wenn man keinen brillianten einfall für eine unternehmung hat, ist fika der perfekte und allseits beliebte ausweg. der kalender zeigt jetzt das oktoberbild und ruft mir einen sehr wichtigen tag ins gedächtnis: am montag ist in schweden zeit für kanelbullen (obwohl man die auch an jedem anderen tag ohne weiteres genießen kann.). wikipedia informierte mich, dass sie bei astrid lindgren zimtwecken heißen - ganz egal, ihr duft und ihr geschmack sorgen auf jeden fall für glücksgefühle. und ich fühle mich schweden nun noch ein klein wenig näher, nachdem ich die kunst des bullebackens erfolgreich erprobt habe. eine jahreszeit trennt mich jetzt schon von deutschen gefilden, und ganz leicht ist es nicht, diesen abschied immer gut zu finden oder auszuhalten, trotz naturzauber und kaffeeduft und bullengenuss. wenn ich dann aber einen blick auf die listen werfe, die alle pläne und vorhaben für diese jahr enthalten, kommt die sicherheit zurück, dass es noch viel zu erleben und zu entdecken gibt.