Sonntag, 30. Januar 2011

von schneehasen und schnupfennasen. oder: ta det lugnt.


und wieder einmal zeigt sich, dass erhitzte gemüter keine gute idee sind. nicht einmal im winter, wenn einen draußen die kälte umfangen hält und ein eisiger wind um die ohren weht. besser ist es da, sich an ein schwedisches lebensmotto zu halten, das sich mit gemütlichkeit, fikapausen und innerer ruhe verbindet: ta det lugnt. das gilt zunächst einmal für kleine alltagskriege, in denen sich gelassenheit und überredungskunst bewähren. möchte ein kleiner cowboy beispielsweise nicht in den kindergarten, lässt sich der kinderwagen schnell, schnell in ein wildes präriepferd verwandeln. und schon kann der ritt zum daghem beginnen. der ausspruch lässt sich weiterhin auch auf allen planungsdruck und entscheidungsstress anwenden. im moment fühle ich mich ein bisschen klein in bezug auf all die möglichkeiten, die mir vielleicht offen stehen, vielleicht auch nicht. ich übe mich im schritt-für-schritt denken und versuche, mir zeit zu nehmen und zu lassen. nur fällt das nicht immer leicht. manchmal hätte ich so gern einen fertigen, funktionierenden plan. ich weiß: wo bleibt da der nervenkitzel und die herausforderung? diesen beiden faktoren auch ihren platz zu gönnen, das nimmt auf meiner todoliste einen platz ziemlich weit oben ein. und zu guter letzt ist so eine auszeit, in der man es mit ruhe und gemütlichkeit probiert, und noch dazu seine sorgen über bord schmeißt, wahrscheinlich dann besonders angebracht, wenn ohnehin der taschtuchverbrauch ins unermessliche steigt und die nase neue, rötere farbtöne annimmt. deswegen nahm ich zwar gestern die rolle des frühen vogels ein, dessen wecker schon zeitig schrillte, konnte danach aber im schönen solsidan (übrigens namensgeber der gleichnamigen schwedischen fernsehserie) ausreichend durchatmen. während viele hausbesitzer dort dauerhaft einen bezaubernden ausblick auf die schären der ostsee genießen, hatte ich dieses erlebnis nur für eine kurze, dafür aber intensive weile. promenad, pestopasta, plauderei - eine sehr gelungene kombination. heute wird das entspannungsprogramm durch einen spaziergang in einem der schönsten parks stockholms erweitert, bei dem wieder viel frische winterluft die lungen füllen und vom nachdenken rauchende köpfe abkühlen kann. und dann? dann werden wir sehen.

Sonntag, 23. Januar 2011

von meermädchen und winterkindern. oder: eis, eis, baby!


während bei manchen so langsam die frühlingsgefühle geweckt werden und die sehnsucht nach wärme und sonne wächst, freue ich mich über schnee, eis und kälte. was bin ich froh, dass die plusgrade für die weiße welt noch nicht das ende bedeutet haben. das zwiebelkleidungsprinzip, das besonders für die beiden jungs hier gilt, bringt am morgen nicht unbedingt das maximale vergnügen, sondern sorgt hin und wieder für stress, hektik, anspannung. danach ist aber zeit zum durchatmen, zum aufatmen. und auch zum genießen, denn der anblick des eises und der flocken ist bezaubernd:
der winter
christian morgenstern

der fjord mit seinen inseln liegt
wie eine kreidezeichnung da;
die wälder träumen schnee-umschmiegt,
und alles scheint so traulich nah.
so heimlich ward die ganze welt...
als dämpfte selbst das herbste weh
aus stillem, tiefem wolkenzelt
geliebter, weicher, leiser schnee.
allerdings habe ich keinen fjord, sondern den schärgarten direkt vor der tür. in dieser woche durfte ich meinen neuen heimatort vom wasser aus betrachten, als ich einen spaziergang auf dem eis unternahm. die winterstille beruhigt durcheinanderköpfe und regt gleichzeitig zum nachdenken an. die beine bekommen bewegung, die augen ein wunderbild. beeindruckend war auch ein rundgang auf djurgården, bei dem ich mit malin (nein, nicht på saltkrokan, sondern hier und jetzt als barnflicka in stockholm) kilometer um kilometer zurücklegte und mich am ende fragte, ob meine fingerspitzen eigentlich noch an ihrem alten platz sind. aus diesem grund optimierten wir unsere winterausflugspläne am samstag, als wir uns das gemütliche örtchen sigtuna ansahen, das man mit zug und bus von stockholm aus gut erreichen kann. zunächst begegneten wir hier bei ersten vorsichtigen schritten auf der zugefrorenen ostsee spaziergängern, eisläufern und schlittenfahrern und genossen die weiße weite. anschließend wurde schnell für innere und äußere wärme gesorgt: mit fikapäuschen, kuschelsofas und heizungsluft. und heute? an diesem sonntag steht pulkavergnügen auf dem plan. in einem innenstadtpark in stockholm darf jedermann sich nämlich unter fröhliche kinder mit plastikschlitten mischen und schneehügel hinabsausen. ja, jag älskar den svenska vintern!

Sonntag, 16. Januar 2011

von luftballons und fleischklößchen. oder: aus klein mach groß.


diese woche war jede woche kindertag - so schien es mir auf jeden fall zu sein. schließlich ist in bezug auf meine beiden jungs momentan alles noch neu, aufregend, spannend. das hält überraschungen und herausforderungen bereit. manchmal gilt es, tief durchzuatmen, an anderer stelle darf ich zuwendung und aufmerksamkeit genießen. besonders freut mich, dass ich im dunkeln die angst nicht mehr packen wird - nils hat mir nämlich versprochen, mit seiner cowboypistole (er nennt sie kaibeupangare) alle gespenster zu erschießen. dafür bin ich ihm auf jeden fall zutiefst dankbar. und auch so richteten sich viele augen auf ihn, denn am samstag wurde er vier jahre alt und lud dazu zum piratengeburtstagsfest ein. natürlich durften schwedische liedchen und große päckchen nicht fehlen. besonders prägte sich mir aber die princesstårta ein, die mit unmengen an marzipan und sahne alle godisgrisar bestoch. und während heute alle kindergartenfreunde mit ihm einen abenteuerspielplatz stürmten und sich zwischendurch mit bullar, glass und saft stärkten, ging auch für mich der kinderspaß weiter. heute stand junibacken auf dem plan, ein schwedisches paradies für kleine und große. dort darf man nämlich die schwedischen kindergeschichten anfassen, nichts verstaubt hinter bilderrahmen und glasscheiben. auf unserem weg durch die erzählwelt begegneten uns pettson och findus, karlsson på taket, mumins, pippi långstrump, alfons åberg und viele andere bekannten gestalten. köttbullar med lingonsylt och potatis machten danach das blaugelbe glück perfekt. weil ich aber eben doch nicht mehr ganz klein bin, habe ich im vasamuseet auch ein bisschen erwachsenenkultur genossen und interessantes über ein 333 jahre auf dem meeresgrund wartendes schiff erfahren. außerdem traute ich mich hoch hinaus und wurde auf dem kaknästornet mit einem wunderbaren winterausblick über stockholm und guten gesprächen belohnt. und dann die zukunftsplanung, immer wieder topgesprächsthema. so umfassend, so kompliziert, so nervenaufreibend. da brauche ich hin und wieder fikaentspannungspausen und reashoppingtouren, und bekomme dennoch diese große frage nicht aus dem kopf. vi ska se hur det kommer att bli...

Sonntag, 9. Januar 2011

von ankunft und wiedersehen. oder: det bästa med stockholm.


nun sitze ich hier also mit meinem tee und meinem laptop mit meinen wochenendgedanken. eigentlich ein ziemlich gewöhnliches bild, und doch sind die voraussetzungen diesmal anders. zunächst einmal hat mich das land der kanelbullen wieder - klar, dass ich samstag gleich drei der unvergleichlich guten zimtschnecken probieren musste. schließlich gab es zwei wochen entzug wieder aufzuholen. und um das schwedenklischee in vollem ausmaß zu bedienen, habe ich gedanklich in dieser woche im größten ikea der welt schon meine erste studentenwohnung eingerichtet. und das in der besten begleitung, die man sich dafür vorstellen kann ('komm, lass uns mal kurz auf den betten hier ausruhen, ja?'). während der plaudereien darüber, welche strategie sich wohl am besten eignet, um das eigene heim zu einem wohlfühlplatz zu machen, treten dann auch die gedanken an zuhause in den hintergrund. dort habe ich auch die letzten begegnungen und erlebnisse tief im herzen bewahrt, und von dort werden sie auch nicht verschwinden. jetzt heißt meine neue heimat täby, ein vorort von stockholm. vieles ist noch ungewohnt und bleibt zu entdecken, einiges wird immer vertrauter. zum beispiel das reh, das schon mehrmals an meinem fenster vorbeisprang und manchmal ganz kurz einen blick hineinwarf. oder nils und erik, meine beiden neuen jungs, die ihren platz auf den pepparkaks- und auch in meinem herzen fanden. ich bin gespannt auf das kommende, bin gespannt auf den alltag. schon morgen geht das abenteuer los. es fühlt sich gut an, wieder hier zu sein, wieder fikapausen einzulegen, wieder zur tbana zu hetzen, wieder museumspläne zu machen. und gleichzeitig zurückzudenken an meine familie und die weihnachtspause, an das deutsche abendbrot und die deutsche schokolade, an niedrige preise und eigentümliche dialekte. schön zu wissen, dass die altbekannten orte auf mich warten, und neue gleichzeitig vielversprechend wirken und meine aufmerksamkeit wecken. da lässt es sich gut reisen, gut leben.

Sonntag, 2. Januar 2011

von vorschau und rückblick. oder: happynewyear.


gott nytt år - jetzt beginnt also 2011. und die hand muss sich beim schreiben des datums wieder ein wenig umgewöhnen (den besten schwung habe ich ironischerweise im dezember, kurz bevor sich eine weitere veränderung naht.). abgesehen vom gewandelten schriftbild stehen hoffentlich noch andere, spannende neuheiten bevor. vielleicht auch herausforderungen, möglichkeiten, angebote. ich mag den gedanken an vorsätze und unerwartetes - dass man eben doch nicht alles einschätzen und planen kann. und gleichermaßen schätze ich den rückblick und die erinnerung. ein jahr, zwölf monate, dreihundertfünfundsechzig tage. manchmal ist die zeit so dehn- und komprimierbar; das fasziniert mich immer wieder aufs neue. 
'wenn man zwei stunden lang mit einem mädchen zusammensitzt, meint man, es wäre eine minute. sitzt man jedoch eine minute auf einem heißen ofen, meint man, es wären zwei stunden. das ist relativität.' (albert einstein)
 in jedem jahr gibt es wahrscheinlich sowohl die mädchen- als auch die ofenmomente, und irgendwie fügt sich doch das mosaik zusammen. ich bin von herzen dankbar für die kleinen und großen wunder, die ich 2010 erfahren, beobachten, erleben durfte. und auch die schwierigkeiten und konflikte haben mich geprägt, haben oftmals im ärger und der enttäuschung dennoch für einsicht oder veränderung gesorgt. und dann meine familie und meine freunde, deren bedeutung mir immer klarer wird, vor allem mit der entfernung. als barnflicka, in einer fremden familie, zu der man manchmal dazugehört und manchmal eher beobachter und außenseiter ist, wird immer deutlicher, wie wichtig auch die bindungen daheim sind. diese spannung zwischen heimat und ferne wird wohl auch im neuen jahr eine große aufgabe bleiben, schlägt doch mein herz für deutschland und zur gleichen zeit auch für schweden mit seiner sonne, seinem himmel und seinen grünen weiten. beide teile haben ihren platz und ihre wertigkeit. und ein bisschen vermute ich, dass es bald wieder verstärkt heißen wird: sverige i mitt hjärta!